TestLabor: ALAN WAKE (xbox360)

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The Shining trifft auf Twin Peaks!

Klick Licht an und willkommen in Bright Falls, dem wohl abgelegensten und idyllischsten irdischen Ort, den meine XBOX 360 jemals darstellen durfte. Das Kleinstadtleben zwischen Nadelwäldern, Bergen und Seen ist so dermaßen geprägt durch Holzhütten und Forstwirtschaft, dass man das Flanell nahezu auf der eigenen Haut zu spüren glaubt. Es überkommt einen glatt das Gefühl, in der unmittelbaren Nachbarschaft (also lediglich rund 90 Fahrminuten entfernt) müsse sich ein von Jack Torrance behütetes Berghotel befinden. Ebenso wie der Protagonist aus „The Shining“ ist auch unser Hauptdarsteller Alan Wake Schriftsteller, und ebenfalls soll die Einöde und Idylle den Schreibfluss fördern. Doch bevor ich nun auch noch bereits viel zu oft zitierte (und von den Machern gewollte) Parallelen zur Fernsehserie Twin Peaks aufwärme, wenden wir uns doch lieber dem eigentlichen Titel zu, der den Genres Horror-Thriller und mit Abstrichen Third-Person-Shooter zuzuordnen ist.

Die Ausgangssituation ist eigentlich schnell beschrieben: Der New Yorker Bestseller-Autor Alan Wake reist mit seiner Lebensgefährtin Alice nach Bright Falls, um in einem Haus am See an Beziehungsproblemen und Schreibhemmungen zu arbeiten. Alice verschwindet und der Spieler wird als Alan Wake in „bester“ (dazu gleich mehr) Third-Person-Shooter-Manier des Nachts von Schattengestalten gejagt, die unverkennbar an ihren Waffen fast alle mal in der Forstwirtschaft tätig waren und nun anstatt Holzwürmer und Splitter Licht und Kopfschüsse scheuen. Neben diesen Standardgegnern in ihren typischen Variationen (von schnell und quirlig bis hin zu dick und robust) ereilen Mister Wake auf seinem Weg ins Licht glücklicherweise noch weitere Feinde in Form von Poltergeistern (liest sich jetzt alberner als es ist) und Schattenkrähen, was der Monotonie gut entgegenwirkt. Wie die Gegnervariation vielleicht erahnen lässt, ereignet sich die gesamte Action in der Nacht, auf der Suche nach Lichtquellen und hilfreichen Ausrüstungsgegenständen, die einem den Weg von A nach B erleichtern sollen. Da wären zum einen Taschenlampen, die selbstverständlich Batterien benötigen, sowie Waffen, für die es nicht unbedingt Munition im Überfluss gibt. Zusätzlich, und das sind wirklich gute Gimmicks, gibt es Leuchtpistolen, Leuchtfackeln und ab und zu auch mal die ein oder andere Blendgranate. Der Spieler hat aber auch das Vergnügen, tagsüber gewisse Storyelemente aktiv fortzuführen und sich ausnahmsweise mal annähernd sicher zu fühlen. Doch da das beschauliche Nest Bright Falls dem Großstadtautor nicht unbedingt nur wohlgesonnen ist, überkommt einen auch bei Tageslicht ein ziemlich beklemmendes und unwohles Gefühl. Abgerundet wird die Präsentation von einigen kurzen Flashback-Szenen und einer Aufteilung der Handlung in Episoden mit jeweiligem Cliffhanger und Abspann, um der ganzen Story einen charmanten Seriencharakter zu verpassen.

Die Steuerung von Alan Wake ist sicherlich nicht als perfekt zu bezeichnen, funktioniert aber in der Regel dank Auto-Aim und simplen Ausweichmanövern durch gut getimtes Drücken der entsprechenden Tasten (LB + Richtungstaste). Bei großen Gegnerhorden (Gegneranzahl > 2) wird es schnell hektisch und ungenau. Man sollte sich ordentlich Abstand verschaffen und – gegebenenfalls auch durch das immer wieder wundervoll anzusehende Zünden einer Leuchtfackel – etwas Zeit zum Nachladen von Flashlight und Schusswaffe gewinnen. Oder aber man entscheidet sich gleich für die ressourcenschonende Variante der Meidung von Konfrontation. Heißt in diesem Fall stets: Laufen bis das Licht kommt! Generell lohnt es sich, stets in Bewegung zu bleiben, da die besessenen Holzfällerschatten euch stets auf die Pelle rücken wollen und den Spieler buchstäblich über Stock und Stein hetzen. Daher vermisst man auch kein Deckungssystem, wird doch während des gesamten Spiels In-Game kein einziger Schuss auf euch abgegeben. Neben den Kampfelementen gibt es einige wenige und zugegebenermaßen sehr simple Spielelemente, in denen ihr Stromgeneratoren, Aufzüge oder sonstige Dinge durch das Betätigen von Schaltern aktivieren müsst. Wer knifflige Rätsel oder Minigames erwartet, der tappt hier im Dunkeln. Das relativ geradlinige Leveldesign in Kombination mit dem auf einem Radar gekennzeichneten Ziel, verhindern ein Verlaufen in Wald und Siedlung. Zwischendurch dürft ihr euch gelegentlich auch an das Steuer verschiedener Autos setzen, von denen ihr bitte von Vornherein keine geniale Fahrphysik erwartet. Aber immerhin kann man mit ihren Scheinwerfern gut Gegner anbrutzeln, bevor man sie überfährt.

Der gute Alan kann technisch überzeugen

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Reviews ist das Spiel bereits weit über vier Jahre auf dem Markt und es hat sich bereits die Nachfolgegeneration der Konsolen etabliert. Nichtsdestotrotz kann Alan Wake technisch noch überzeugen. Die Lichteffekte, als Schlüsselelemente von Story und Gameplay, sind enorm gelungen und die Umgebungen ist an den entscheidenden Stellen mehr als ausreichend detailliert und abwechslungsreich (soweit das eben ein Setting von Holzhütten zwischen Nadelbäumen zulässt). Einzig die Gesichter der Charaktere erfüllen heutige Erwartungen nicht mehr so recht. Allerdings lässt sich hierbei mit einem Hauch von Fantasie und eine Priese Sinn für den Kontext erahnen, wann ein Protagonist etwa überrascht oder gedemütigt drein blickt. Die Zwischensequenzen sind dennoch spannend und gut anzuschauen, will man doch wissen, warum sich all diese mysteriösen Dinge in Bright Falls ereignen. Bis auf die schwache deutsche Synchronisierung, wird einem auch akustisch einiges geboten. Die Songs zwischen den einzelnen Episoden sind sehr stimmig mit der gesamten Atmosphäre und stellen den an sich guten Score von Petri Alanko fast in den Schatten. Auch In-Game wird man durch Geräusche und Sounds, die plötzlich die Stille brechen, das ein oder andere Mal zu einem Zusammenzucken verleitet.

Insgesamt punktet Alan Wake trotz akzeptabler Gameplay-Schwächen durch Atmosphäre und Story. Diese ist zwar mit ihrem Infragestellen von Fiktion und Realität relativ Genretypisch und für den geneigten Thriller-Fan vorhersehbar, aber für ein Videospiel überdurchschnittlich tiefgründig. Also schmeißt euch in eure beste Kombination aus Hoodie und Blazer, schnappt euch eine Taschenlampe und spielt das Spiel unbedingt im Dunkeln! Licht aus. Klick

JoStarks