TestLabor: Tearaway (PS Vita)

Es kommt hin und wieder mal vor, dass man sich einem Spiel erst recht spät widmet, weil es einen lange nicht besonders gereizt hat oder weil es von anderen Titeln überschattet wurde. Manchmal bleiben einem Spiele aber auch einfach vorenthalten, weil man die dazugehörige Platform einfach nicht besitzt. In meinem aktuellen Fall handelt es sich um die Playstation Vita und Tearaway.

Als die Vita angekündigt wurde, wirkten viele Features wie sinnlose Spielereien. Ein Touchdisplay macht ja noch Sinn, aber eine Touchpad auf der Rückseite einer Konsole? Äh, okay?!? Dazu eine Kamera, Neigungssensoren und ein Mikrofon? Das wird doch niemals sinnvoll in ein Spiel integriert werden und lediglich eine ungenutzte Spielerei bleiben. Doch wenn die kreativen Köpfe hinter Little Big Planet einen Launchtitel mit all dem neuen technischen Potential auftischen, sollte man zumindest einmal einen Blick riskieren…

Liebe zum Detail

Dieser Launchtitel ist Tearaway, ein Spiel, das nicht nur alle eben erwähnten Eigenschaften der Platform spaßig und intuitiv miteinander verbindet, sondern dadurch zu einem Spielerlebnis wird, wie ich es zuvor niemals erlebt habe. Doch fangen wir von vorne an. Das erste was mir positiv ins Auge fiel, ist der grandiose, liebevolle Artstil. Alles in der Welt von Tearaway ist aus Papier und Pappe zusammengebastelt. Wie ein spielbares Diorama entfalten sich vor unseren Augen die verschiedensten bunten Fantasiewelten voller bizarrer Kreaturen und witziger Aufgaben.

Held des Spiels ist ein kleiner Bote, namens Iota, bzw. Ataoi, ein aus einem Brief gefaltetes Wesen, dass eine einzigartige und wichtige Nachricht an uns, den Spieler überbringen muss. Wir sind „das Wesen“ und blicken dank der Innenkamera der Vita durch ein Loch im Himmel, gottgleich über die Welt. Wir müssen helfen, denn es ist Unruhe in der Papierwelt eingekehrt. Kleine, fiese Schnipsel terrorisieren die friedlichen und ziemlich hilflosen Bewohner und nur unser kleiner gefalteter Freund kann die Reise zum „Wesen“ meistern.

Daber helfen wir als omnipotenter Zocker auch tatkräftig aus, wenn wir beispielsweise auf das hintere Touchpad drücken und Paff! unsere simulierten Wurstfinger im Spiel wieder finden, als hätten wir durch sie die Vita durchgedrückt. So verschieben wir Rampen und vernichten nervige Halunken. Oder wir stupsen einfach nur gegen den Rücken der Konsole und bringen so Trommeln zum schwingen, wodurch der kleine Iota hochgelegene Stellen erreichen kann. So lernt nicht nur unser kleiner Held immer wieder neue Fähigkeiten, sondern auch wir entdecken immer mehr nützliche Funktionen der Handheldkonsole einzusetzen.

Auf Teamwork wird hier übrigens besonders wert gelegt. Uns kommt ein Wesen zu Hilfe, ein Wendingobaby, das uns wie ein getreuer Hund folgt, im Kampf unterstützt und ansonsten unüberwindbare Hindernisse auffrisst. Sehr praktisch UND stubenrein. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf unserem aktiven Eingreifen. WIr sind “das Wesen” und müssen tatkräftig dabei helfen, die Botschaft zu überbringen. Besonders arstige Schnipsel muss der kleine Protagonist beispielsweise erst auf den Rücken drehen, damit wir sie mittels Touchbildschirm zerdrücken können – Platsch!

Neben Umherflitzen und Kloppen reiten wir noch auf agilen Ferkeln durch die Kulisse und helfen immer wieder ratlosen Bewohnern, denen beispielsweise ein liebgewonnener Schnurrbart abhanden gekommen ist. Schnell basteln wir ihnen im Editor einen flotten neuen Schörres und alle sind glücklich. Dazu ziehen wir eine farbige Pappe auf eine Arbeitsfläche, malen mit dem Finger eine Form und ZACK! fertig ist die neue, schnieke Gesichtsbehaarung!

Bitte recht freundlich!

Ansonsten machen wir mit unserer Ingame-Kamera reichlich Fotos (gerne auch mit freigespielten Filtern) der Umwelt oder mit der Vitalinse Bilder von uns und so unser Antlitz über all im Spiel verteilen. Die Bilder kann man an einigen Stellen auch als Textur für diverse Objekte im Spiel verwenden. Auch unsere Stimme findet geremixt gerne mal ihren Weg in die chillige, alternativ-folkige Hintergrundmusik. Es werden also alle Facetten der Technik eingebunden und zeigen so, wozu die Vita im Stande… gewesen wäre. Schade, zum jetzigen Zeitpunkt ein fast schon schmerzliches Sammelsurium verschenkten Potenzials.

Aber Tearaway ist keine Technikparade, die uns gimmickhafte Mechaniken aufzwingt. Alle diese Ideen sind sinnvoll eingebunden und bilden zusammen ein einzigartiges, intimes Spielerlebnis zwischen einer fiktiven Papierwelt und uns, dem zynischen Spieler. Wir werden Teil der reise, der Geschichte und sind Teil des Finales, auf eine krass abgefahrene Art und Weise.

Immer wieder habe ich schmunzeln müssen, wegen witzigen Einfällen der Entwickler, bizarren Momenten oder einfach aufgrund der puren Freude darüber, wie neu und abgefahren Spiel-Experimente auch heute noch sein können. In Zeiten von gleichgeschalteter Massenware sind Titel wie Tearaway oder das hauseigene Little Big Planet wichtiger denn je, gehen sie nicht nur gegen den von Publishern definierten Massengeschmack, sondern propagieren eine geradezu revolutionär einfache Philosophie: Spaß mit dem Medium Videospiel.

Spaß am Spaß haben

Kreativität, eine positive Message und jede Menge Herz machen dieses Spiel zu einem Hingucker, gelungenes und durchdachtes Gameplay erheben es zu einem überdurchschnittlichen Hüpfspielchen und die Einbindung aller technischen Spielereien zu einem absoluten Musthave für jeden Vita-Besitzer und eigentlich für jeden, der dieses wahnsinnig sympathische Gewusel für sich selbst entdecken möchte. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Empfehlung! Ich liebe Tearaway.

OlliSignatur-1

 

Testfazit 16 - Pos Neg - AGeniales Artdesign
Lebendige, bunte Spielwelt

Originell und abwechslungsreich
Viel Liebe zum Detail
Technisch beeindruckend
Simpler, durchdachter Spielspaß

Testfazit 16 - Pos Neg - BAb und zu bockige Kamera

Testfazit 16 - fazitGrandioses, einzigartiges Spielerlebnis. Pflichttitel!