Ach ja… was hatten wir doch einen Spaß mit Battlefield 3. Epische Online-Scharmützel mit taktischen Einschlag. Super! Doch dann kam Battlefield 4 auf der neuen Generation heraus und enttäuschte mit einer katastrophalen Singleplayer-Kampagne und (was noch schlimmer war) einem technisch total vergurkten, uninspirierten Multiplayer. Konnte man noch Spaß mit Battlefield haben? Ein wenig, aber der Zauber des dritten Teils oder der Bad Company Reihe war einfach verflogen. Doch dann tauchten erste Ausschnitte aus dem Spin Off “Battlefield Hardline” im Internetz auf, bei dem die Entwickler die ausgetretenen Franchise-Pfade angeblich verlassen wollten und weckten so mein olles Nerd-Interesse auf ein Neues. Fragt sich nur – zu recht?
“Battlefield” trifft auf “The Shield”
Die Geschichte um Nick Mendoza, einen beherzten jungen Polizisten, der in ein Komplott aus Drogen, Intrigen, Verrat und Rache verstrickt wird ist tatsächlich unterhaltsamer geworden, als ich es erwartet hatte. Die Figuren sind weitestgehend glaubhaft, die Dialoge stimmig und Ereignisse meist spannend und teilweise sogar ziemlich ulkig. Als Fernsehserie wäre die Geschichte zwar zu platt, für ein Videospiel, das mit seiner Story eigentlich nur bombastische Gameplay-Szenen miteinander verbinden muss, ist das aber eine nette Dreingabe. Nicht zufällig versucht EA mit Hardline den Ton einer amerikanischen Kriminalserie zu treffen; die einzelnen Kapitel sind in Episoden unterteilt, komplett mit Vorspann, Abspann und fernsehtypischem “Previously On Hardline…”. Das wirkt ein wenig bemüht, funktioniert aber erstaunlich gut, wie damals schon bei “Alan Wake” auf der 360. Inhaltlich eine durchaus gelungene Einzelspieler-Erfahrung.
Das Gameplay weicht ebenfalls erfreulich von seinen Vorgängern ab. Wir werden angehalten uns wie ein Polizeibeamter zu verhalten und nicht alles in Schutt und Asche zu legen. Weniger Rambo, mehr Columbo! Schleichen, Auskundschaften und Beweise sammeln wird ebenso mit Boni belohnt wie das Festnehmen der Verdächtigen. Richtig gehört! Wir haben hier die Wahl “Battlefield Hardline” wie einen klassischen Shooter zu spielen, können aber auch bis zu drei Gegner durch Zücken unserer Dienstmarke zum Aufgeben zwingen und mit Kabelbinder unschädlich machen. Klingt nicht allzu spektakulär, wirbelt das Spielgeschehen aber ausreichend durcheinander um mal wieder erfrischend zu wirken. Außerdem ist es ausgesprochen befriedigend ein großes Gebäude zu säubern ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Es ist kein “Metal Gear Solid” oder “Hitman”, was es aber auch gar nicht sein will. Es ist keine Bullen-Simulation, es ist und bleibt ein Shooter, mit ein wenig mehr spielerischer Freiheit. Wenn man allerdings den Unterschlupf eines Untergrundbosses infiltriert und dann drei bis an die Zähne bewaffnete Killer ganz einfach durchs Markenzeigen unschädlich machen kann wirkt schon ein wenig albern… aber trotzdem cool. Superbulle to the rescue!
Mal was Anderes…
Zwischendurch gibt es noch ein paar Verfolgungsjagden und einen gefräßigen Aligator, die üblichen Videogame-Action-Beilagen eben. Hier betritt man nicht unbedingt Neuland, übertreibt es allerdings auch nicht ganz so sehr wie die Herrschaften bei Activision. Ganz so realistisch, wie Hardline streckenweise tut, bleibt der Spielablauf aber dann doch nicht. Er beginnt zwar relativ bodenständig, wird im Laufe der einzelnen Episoden aber immer abgefahrener und knalliger, was ich persönlich aber nicht schlimm finde, handelt es sich doch um ein action-orientiertes Videospiel. Als Freund gepflegt inszenierter Action-Pornos im Stile von “Call of Duty”, “Bulletstorm” oder “Gears of War” hatte ich also wirklich Spaß an der Geschichte eines Battlefield-Spiels und war gespannt, wie es weitergeht! Wer hätte das gedacht? War der Singleplayer doch bisher nur eine Dreingabe um den hohen Preis nicht alleine für eine Multiplayer-Erfahrung zu kassieren und so meist nur eine langweilige Aneinanderreihung explosiver Schießplätze. Dieses Mal hat man mal eine kompetente Kampagne abgeliefert, die leider etwas kurz geraten ist. Aber, in der Kürze liegt die Würze.
Der Multiplayer konzentriert sich ebenfalls mehr auf das “Bullen gegen Gauner“-Konzept als auf militärischen Schlachten-Pathos. Es gibt viele neue Spielmodi; so muss das eine Team als Räuber eine Bank überfallen und das andere Team dies als schießwütige Spezialeinheit verhindern. Ein anderes Mal muss ein mobiler Stützpunkt über die Map gefahren werden um Punkte zu generieren ohne vom Gegner gestoppt oder zerstört zu werden. Witzig ist auch ein neuer Modus, in dem man sich gegenseitig beklauen soll und die erbeutete Knete zum eigenen Stützpunkt transportieren muss. Hektisch, aber lustig. Die klassischen Modi gibt es auch, oftmals aber auf kleineren Karten als bei Teil drei und vier. Ähnlich wie bei der “Close Quarter“-Erweiterung des dritten Teils, sind viele Maps etwas intimer (Ohlala!) und zwingen den Spieler nach einem Respawn nicht zehn Minuten zu Geschehen zu dackeln. Dadurch wird das Gameplay etwas flockiger und knackiger und wirkt ein wenig wie Call of Duty mit Battlefield-Klassen. Außerdem ist die Option direkt in einem unbenutzten Fahrzeug starten zu können eine kleine, aber feine Neuerung. Der Mehrspieler von Hardline erfindet das Rad nicht neu, bietet aber genug Neues um den faden Nachgeschmack des vierten Teils zu lindern. Spaßig. Wie langlebig der Multiplayer jedoch ist, bleibt abzuwarten…
Glaubhaft bis wachsartig
Technisch ist “Battlefield Hardline” gut. Alles ist schön scharf und läuft flüssig. Die Gesichter der Protagonisten sehen teilweise super, teilweise etwas wachsartig aus. Trotzdem erkennt man alle Schauspieler, wie Benito Martinez (aus der Serie “The Shield”) wieder und ihre Performance funktioniert. Wir befinden uns momentan leider in dem Tal der “gruseligen Zwischenebene”, in der Gesichter und “echte” Menschen zwischen Videospiel und Filmoptik schwanken und schnell mal gruselig aussehen. Da bildet auch dieser Teil keine Ausnahme. Die Umgebungen sind hübsch, wirken aber teilweise etwas lieblos eingerichtet. “Call of Duty Advanced Warfare” beispielsweise war da etwas liebevoller und verspielter. Nicht schlimm, hat keinen Einfluss auf den eigentlichen Spielspaß, trotzdem wäre hier zukünftig noch Luft nach oben. Die englische Vertonung ist hingegen tadellos und die Soundeffekte satt und knallig. So muss ein Shooter im Surroundsound krachen – da freut sich auch der Nachbar!
Wer also Bock auf ein etwas verspielteres Battlefield hat und sich (wie ich) auf eine spannende Geschichte mit frischen Ideen freut, darf zugreifen. Es ist kein Pflichttitel, keine Offenbarung spielbarer Göttlichkeit, aber ein mehr als kompetenter Actionkracher. Ich war positiv überrascht.
Ollibaba 😉
PS: Die Playstation 4 Version läuft mit etwas höherer Auflösung als die der Xbox One, weshalb ich mich für die Version der Sony-Kiste entschieden habe.