RETROllibaba: DRIV3RGATE

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Das Watergate Hotel liegt im Herzen von Washington DC, der amerikanischen Hauptstadt. Dort wurden im Jahre 1972 fünf Einbrecher dabei beobachtet, wie sie im dort gelegenen Hauptquartier der demokratischen Partei herumgeschnüffelt und Zimmernachbarn mit herumgeschwenkten Taschenlampen belästigt haben. Die Geschichte wurde publik und im Laufe der Ermittlungen dem amtierenden Präsidenten Richard Nixon zum Verhängnis, der musste nämlich als bisher einziger Amtsinhaber vom Amt des mächtigsten Mannes der Welt zurücktreten. Aber warum sülze ich euch hier mit präsidialer Geschichte voll? Weil der Name “Watergate”, bzw. die an jedes beliebige Wort angehängte Endung “-gate” fortan als Synonym für Verschwörungen, Korruptionsskandale und Machtmissbrauch benutzt werden. Daher präsentieren wir nun, nach Janet Jackson’s “Nipplegate” und dem NFL-Skandal “Deflategate” den neuesten Gamergate, aber diesmal nichts mit Sexismus und Frauenbildern, sondern eine legendäre Story über Machtmissbrauch, Erpressung, Vertuschung und viele, viele Bugs. Es geht um…

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In einer Zeit, in der man in der GTA-Reihe noch in der Top Down Ansicht Prostituierte überfuhr, gab es eine ähniche Spielemarke, die bereits ihre Mischung aus Fahren, Missionen und Action in klotziger 3D-Pracht darbot; Driver. Im Jahre 1999 für Sony’s erste Playstation erschienen, hatte ich viel Spaß mit dem coolen Retrokarren, der funkigen Mukke und dem damals sehr originellen Gameplay. Der Urvater des Open-World-Drive-Mafia-Kriminellen-Simulators, zumindest auf Konsolen. Die Macher des Spiels, Reflections, hatten zuvor bereits Crash-Erfahrungen mit dem launigen Destruction Derby gesammelt und konnten mit ihrer Hommage an 70er Jahre Polizeifilme einen weiteren Hit bei Kritikern und Fans verbuchen. Klar dass der Titel und sein Nachfolger schnell großen Anklang fanden, dickes Geld einbrachten und eine Fangemeinde hinter sich versammelten. Was sollte da schiefgehen? Diese Frage beantwortet das kleine, rote Publisher-Logo auf dem Cover. Atari. Denn mit dem Erfolg, kam auch die Gier.

Im Jahre 2004 waren die Erwartungen an den dritten Teil der Serie gigantisch und Atari finanziell in der Bedrullie. Man hatte neben einigen Misserfolgen und finanziellen Dummheiten sehr viel Geld in diesen Hoffnungsträger gesetzt und angeblich kalkuliert, dass Atari vier Millionen Einheiten von Driver 3, bzw. Driv3r absetzen musste um überhaupt eine schwarze Null zu schreiben. Die Firma stand also mit dem Rücken zur Wand. Und was taten die feinen Herrschaften? Den Teil, der eh schon mehrfach verschoben wurde endlich in Ruhe fertig stellen und die treuen Fans mit einem schönen Spiel beglücken? Nein. Man pumpte noch mehr Kapital in Driv3r, um das Teil irgendwie noch größer, geiler und erfolgreicher zu machen. Mehr Budget = mehr Umsatz… oder so ähnlich. Die Angst vor dem Rockstar Konkurrenten GTA war über die Zeit zu einer regelrechten Paranoia geworden und man wollte dem Gegenspieler nicht einfach so das Open-World-Crime-Feld überlassen. GTA 3 hatte mit seinem genresprengenden Einfluß einfach zu viele neue Elemente eingeführt und aus dem Stand richtig gemacht, dass Atari jetzt zeigen wollte, wie der ehemalige Platzhirsch all diese Dinge besser macht. GTA  3 sollte keine Revolution, sondern nur ein Geburtshelfer eines überlegenen Driver 3, ein Appetizer für Ataris Hauptgang.

Nch fast vier Jahren schmerzlich langer Entwicklungszeit hatten sich viele fans bereits den anderen Genrevertretern zugewandt und Atari schaufelte aus Geldmangel hauptsächlich Grabbelkisten-Billospiele unters Volk. Keine gute Vorraussetzung um ein solch kostspieliges Projekt noch teurer zu machen als nötig. Nun stand der Release von GTA San Andreas bevor, ein weiterer Teil des verhassten Erzfeindes und das eigene Spiel war immer noch nicht fertig.

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Große Teile der Spielmechanik waren nicht ausgereift, viele Fehler nicht behoben oder teilweise noch gar nicht erkannt und überall sogenannte Gamebreaking-Bugs! Fehler, die das Spielerlebnis komplett runierten. Man fiel beim Laufen einfach durch den Boden durch ins Gamingnirvana, Autos und Passanten flogen plötzlich durch die Lüfte und Brücken, Häuser und ganze Berge verschwanden plötzlich. Aber nicht durch Magie, sondern durch überforderte Entwickler und unrealistisch gesetzte Zeitvorgaben.

Raus damit!

Als Driv3r ungefähr soweit war, dass man sagen konnte, in ein paar Monaten könne alles so weit laufen, dass man den Titel guten Gewissens auf den markt werfen könne um so das heißersehnte Weihnachtsgeschäft mitzunehmen. Doch Atari entschied aus Angst vor dem bevorstehenden Grand Theft Auto, den Release vorzuziehen. Die Firma brauchte das Geld. Sie sagten Reflections quasi; “macht das was ihr macht noch zu Ende, dann veröffentlichen wir. JETZT!” Im vollen Wissen, ein unfertiges, katastrophal verbugtes Game in die Läden zu stellen, ging Atari einen Schritt weiter und wandte sich im Hintergund an große Spielemagazine.

Diese waren derart verzweifelt auf der Suche nach Exklusivmaterial, dass man dem Verlag Future Media erlaubte, mit seinen Playstation 2 und Xbox Zeitschriften zwei Monate vor Erscheinen bereits Testberichte zu dem begehrten Driv3r abzudrucken um so einen Vorteil gegenüber der Printkonkurrenz zu bekommen. Doch nichts im Leben ist umsonst, oder? Im Gegenzug forderte Atari garantierte 9 von 10 Punktewertungen und Future willigte ein. Das unfertige Driv3r bekam in den saftig verkauften Ausgaben eine überdurchschnittliche 9 von 10 und beruhigte so die Fans der Reihe, dass sich das Warten doch gelohnt habe und der dritte Teil eine gelungene Fortsetzung geworden ist. Doch als das Spiel später der breiten Öffentlichkeit angedreht wurde, war schnell klar, dass man angeschissen wurde. Driv3r war streckenweise unspielbar und eine Zumutung zum Vollpreis. Testberichte waren fortan deutlich negativer als die erkaufte Lobpudelei und viele Magazine prangerten die Dreistigkeit Ataris an. Die finale Kaufversion von Driv3r war eine Frechheit. Aber moment mal, da waren doch vor Monaten diese guten Bewertungen, wegen denen man das Spiel freudig vorbestellt hat. Was war denn da passiert?

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Warum haben diese Hefte ihre Integrität und Kundschaft derart in die Irre geführt und dreist belogen? Zuerst standen die Redakteure zu ihrer guten Wertung und gaben an, die negativen Fazits der anderen Journalisten nicht zu verstehen. Fakt ist, Atari hatte den Redaktionen ein unfertiges Spiel präsentiert und behauptet, es handle sich um eine Version, die so NICHT in den Handel gelangen werde, sondern dass die offensichtlichen technischen Mängel bis zum Release noch behoben würden. Ehrenwort. Aber warum stand dieser Fakt nicht im verfrühten Testbericht? Vielleicht Druck von Seiten Ataris? Die waren in der Zwischenzeit damit beschäftigt eine Firma anzuheuern, die negative Kommentare aus Internetforen löscht und mit Fake-Accounts postive Lügen verbreiten sollte. Dies geschah aber leider derart plump, dass die Sache nicht nur in Lichtgeschwindigkeit aufflog, sondern auch zu viel Gespött und Häme führte. Wie verzweifelt, hinterhältig und verlogen ist dieses Vorgehen bitte, Atari? Pfui.

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Future Media löschte ebenfalls alles aus dem World Wide Web, was sie löschen konnten und ignorierten diese Geschichte einfach. Und obwohl Driv3r in vielen Ländern auf Platz eins in die Verkaufscharts einstieg, wurde den Käufern irgendwann die traurige Wahrheit bewusst und das Spiel lag nach einer Weile wie Blei im Regal. GTA San Andreas kam später im fertigen Zustand in den Handel und wurde über 28 Millionen Mal verkauft. Der Schuldige von Seiten Ataris war der Gründer von Entwickler Reflections, Martin Edmondson, den man für die schlechten Kritiken verantwortlich machte und auf die Straße setzte. Das Bauernopfer in dieser peinlichen Oper. Ein paar Jahre später, 2006 verkaufte Atari das Entwicklerstudio und die Driver-Marke an Ubisoft, die das spaßige Driver: San Francisco für Xbox 360 und PS3 veröffentlichten. Aber auch wenn die Kritiken dieses Mal ganz gut und die Verkaufszahlen okay waren, so richtig konnte sich das Franchise von diesem Debakel nicht erholen. Ubisoft war sogar der Meinung, dass der nächste, geplante Teil der Reihe wahrscheinlich besser als eigenständiges Franchise funktionieren würde… und so wurde der Hackerkrimi Watchdogs geboren. Zu dieser Zeit gab auch der ehemalige Marketingchef von Atari zu, dass Driv3r eine unfertige Gurke war, die man aus quartalsfinanziellen Gründen übereilt auf den Markt geschmissen hatte. Ein Geständnis, immerhin, auch wenn eine Entschuldigung von Atari angebrachter gewesen wäre.

Und die Moral aus der Geschicht’

Aber hat Atari aus dieser Sache gelernt? Nein! Man brachte voller Stolz das ekelhaft unfertige Alone In the Dark Reboot auf den Markt und hier drohte man Publikationen ganz offen damit, bei negativer Berichterstattung zu klagen. Albern. Alone In The Dark veranlasste mich übrigens seinerzeit , einen Brief an Atari zu schreiben, in dem ich meinen Unmut über dieses Spiel kund tat und darum bat, mir meine drei Euro zu erstatten, die ich für das nagelneue Exemplar bei Amazon bezahlt hatte. Leider warte ich bis heute auf Antwort… Vielleicht auch weil Atari 2013 Bankrott erklärte. Auch die beiden in den Skandal verwickelten Gaminghefte schlossen 2012 ihre Tore und so bleibt von “Driv3rgate” eigentlich nur die Erkenntnis, dass man sich nie auf nur eine Quelle verlassen sollte, dass es um in erster Linie immer ums Geld und selten um Qualität geht (was jetzt keine wirkliche Neuheit darstellt) und das man Atari, ein paar uralte Klassiker ausgenommen, leider nicht nachweinen sollte. Ist der Ruf erst ruiniert…

In diesem Sinne, meine Freunde.

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