In den vergangenen Monaten wurde viel über die neue Version der Xbox One berichtet. Sogar meine Wenigkeit hat diverse Berichte und Meinungen zum Thema getextet und online gestellt (HIER und HIER zum Nachlesen). Seit ein paar Tagen hat die Zockerwelt nun endgültige Gewissheit: das neue Hardwareupgrade heißt offiziell XBOX ONE X und nicht mehr Xbox Scorpio. Schade, fand den Namen des Bondschurken aus den Simpsons irgendwie sympathisch.
Generation X
Microsoft verkündete Anfang der Woche auf der hauseigenen Pressekonferenz der E3 in Los Angeles, dass die neue Xbox One X knapp vier einhalb mal so leistungsfähig sein soll, wie die etablierte Xbox One. Dabei wird sie obendrein in ein kleineres Gehäuse verbaut und mutiert so zur „kleinsten und stärksten“ Konsole der aktuellen Generation. Am 7. November diesen Jahres soll das kleine Kraftpaket weltweit in den Handel kommen und schätzungsweise 499 Euro kosten.
Die technischen Details sind durchaus beeindruckend, übertrumpfen dabei sogar Sony’s upgegradetes Konsolenzugpferd Playstation 4 Pro und ermöglichen es zukünftigen Spielen eine noch beeindruckendere Nextgen-Performance anzubieten. Alle bisher erschienen Spiele für Xbox One sind kompatibel, genauso wie bereits abwärtskompatible Games der Xbox 360 und (passend zum Launch des neuen, digitalen Aboservices) demnächst auch Titel der ersten Xbox (die mit dem klobigen Controller). Welche Spiele aber nun mit welchen Verbesserungen aufwarten ist noch nicht bekannt. Ob bessere Framerates oder höher aufgelöste Texturen, 4K- Unterstützung oder Ähnliches nachgereicht wird, obliegt den jeweiligen Entwicklern. Diese können, ähnlich wie bei Pro-Updates für die PS4 Pro solche Modifikationen als Download anbieten. Generell soll sich aber schon mal die Ladezeit sämtlicher Titel drastisch reduzieren und das fiese Screentearing, also dieser unschöne Riss in der Bildmitte gänzlich verabschieden. Klingt alles ganz gut, wenn auch nicht unbedingt nach einem Konsolenupgrade, sondern fast nach einer gänzlich neue Konsole.
Wer ist die Zielgruppe?
Und hier sind wir beim Thema: was ist die Xbox One X und für wen ist sie überhaupt gedacht? Genau wie bei der Pro-Variante der Playstation 4 geht es um mehr als die 4K-Ausrede. Die Zahl der Konsolengamer mit derartigen Fernsehgeräten ist verschwindend gering, was den Drang der Hersteller eben diese Zielgruppe bedienen zu wollen zu einem künstlich aufgebauschten Sturm im Wasserglas macht. Man will die eigene Kiste technisch einfach etwas zukunftssicherer machen. Haben wir in Zukunft alle 4K oder noch höher aufgelöste Glotzen zuhause? Das weiß keiner, aber Microsoft und Sony wollen vorbereitet sein. Außerdem muss die Hardware mit zusätzlichem Zubehör wie VR-Headsets und AR-Brillen klarkommen, auch wenn sich letztere momentan nur in der Planungsphase befinden. Außerdem werden Online-Erfahrungen immer größer, die Zahl der Mitspieler immer höher und die Areale immer ausgefeilter, was ebenfalls immer stärkere Technik verlangt. Es geht also um mehr als „nur“ bessere Grafik.
Momentan sehen viele Spieler keinen wirklichen Grund, ihre Konsole, die gerade mal ein paar Jahre auf dem Buckel hat gegen eine neue, teurere Version der gleichen Kiste auszutauschen. Für Neukäufer eine wohl zu überlegende Alternative, offensichtlich besonders für Interessenten mit tieferem Geldbeutel. Für wen sind die neuen X und Pro Versionen also tatsächlich gedacht? Für Technikfetischisten, die auch in Zukunft noch kraftvoll im Spielesortiment zugreifen wollen? Für Zocker mit ordentlich Kohle oder für jeden von uns, der gerne daddelt? Werden wir eine Zweiklassengesellschaft erleben, in der neue Blockbuster nur noch für die neuen Konsolen erscheinen und jene die es sich leisten können? Werden Publisher in Zukunft vermehrt nur für die Elite-Konsolen entwickeln, weil dort technisch einfach mehr machbar ist? Oder wird es sich für die Entwickler auch zukünftig lohnen, abgespeckte Versionen für die stinknormalen Xboxen und Playstations zu veröffentlichen? Die Zukunft dieser neuen Entwicklung, in der wir immer wieder neue aufgepeppte Konselenupgrades bekommen, entweder zwischen neuen Konsolengerationen oder anstelle derer birgt auf jeden Fall viel Potential und Risiko für Gutes und Schlechtes. Für Fortschritt und Abzocke. Bleibt abzuwarten, ob wir alle paar Jahre zum Kauf einer leicht aufgemotzten Konsole genötigt werden oder ob sich dadurch ein echter Mehrwert für uns Zocker herausstellt.
Es ist nicht alles Xbox Live Gold, was glänzt…
Microsoft hat auf jeden Fall viele neue Möglichkeiten mit der neuen Xbox aufgetan, auch wenn sie bereits jetzt einiges vergeigt haben. Allem voran der Name – Xbox One X. Steht zukünftig im Regal neben der schwachen Xbox One und der etwas schwächeren Xbox One S. Klingt verwirrend? Ist es auch und erinnert ein wenig an Nintendo’s fatalen Fehler, den Nachfolger der guten Wii einfach WiiU zu nennen. Ist es ein Add-On, eine neue Konsole oder was? „Oma, ich wünsche mir eine Xbox zu Weihnachten!“ Das riecht schwer nach dutzenden enttäuschten Kindergesichtern am Heiligen Abend…
Außerdem fehlen nach wie vor interessante Exklusivtitel, die uns erst recht mit der neuen Hardware geekige Bauklötze staunen lassen. Der Slogan „Die stärkste Konsole der Welt“ alleine ist nämlich kein Kaufargument, liebe Microsoftler. Wenn Netflix zukünftig nur Lindenstraße und die tausendste Wiederholung von Two and a half Men anbietet, bringt auch der Slogan „Der beste Streamingservice der Welt“ nix. Worten müssen Taten folgen. Viele sehen darin einen anhalten Trend, dass Microsoft ein wenig den Bezug zu der spielenden Kundschaft verloren hat und diese nur noch mit sporadisch erscheinenden Forzas und Halos milde stimmt. Andere sehen darin nur eine Durststrecke, bis der Konzern wieder zur alten Größe der Xbox360-Tage zurück findet. Man darf gespannt bleiben.
Am Ende wird es gut… oder?
Ganz nebenbei besiegelt der fehlende Anschluss für die berüchtigte Kinect-Kamera schließlich auch dieses erfolglose Kapitel und zeigt, dass man bei Microsoft immerhin gewillt ist, alte Zöpfe abzuschneiden. Zöpfe, nach denen niemals jemand verlangt hat. Das mag dem ein oder Anderen sauer aufstoßen und als inkonsequent erscheinen, ist aber eine nachvollziehbare Geschäftsentscheidung. Auf jeden Fall wird es für die Xbox schwer, gegen die ziemlich große Userbase von Sony anzustinken. Die feiern gerade über 60 Millionen verkaufte PS4 Einheiten und brüsten sich damit, dass mittlerweile jede fünfte, die über den Ladentisch geht eine PS 4 Pro ist. Das zeigt, dass es einen zwar noch geringen, aber wachsenden Markt für aufgebockte Hardwareupgrades gibt. Und wenn Entwickler für beide Marken Updates für ihre Spiele, die der neu dazu gewonnenen Power gerecht werden entwickeln können, gewinnen sowohl Sony und Microsoft, als auch die 4K-Gemeinde. Am Ende ziehen nämlich sowohl Xbox One X, also auch PS4 Pro Besitzer an einem Strang. Einem etwas teureren, elitären Strang.
Gott zum Gruße!